Als die Zeche Teutoburgia 1925 wegen Unwirtschaftlichkeit stillgelegt wurde, dachten manche, das sei das Ende. Für viele wurde es aber erst ein Anfang...
Im Ortsteil Börnig findet man nämlich heute die unter Denkmalschutz stehende und komplett im Originalstil restaurierte Siedlung Teutoburgia. Keines der 136 Gebäude gleicht dem anderen, und doch bilden sie alle zusammen eine harmonische Komposition. In dieser ehemaligen Bergarbeitersiedlung, eine der schönsten im Revier, kann man bei einem Spaziergang die architektonische und gestalterische Vielfalt des Gartenstadt-Konzeptes hautnah erleben.
Als Werkssiedlung für die Zeche Teutoburgia zwischen 1909 und 1923 gebaut, schien die Zukunft ähnlich trist wie die der bereits 1925 stillgelegten Zeche. Die umfangreiche Modernisierung brachte die Wende: 1988 begann die VEBA, die Siedlung in Schuss zu bringen und die Fassaden detailgetreu zu rekonstruieren. 1998 erstrahlten die Häuser mit ihren rund 530 Wohneinheiten im neuen Glanz. Teutoburgia hat den Aufstieg zur Villengegend geschafft: Die schmucken Gebäude werden von Hunderten Straßenbäumen flankiert und von blühenden Vorgärten mit englisch kurzem Rasen gesäumt.
Zur Teutoburgia-Siedlung gehören auch der Kunstwald, der Förderturm und die Maschinenhalle. Alle vier zusammen ergeben die harmonische Komposition. Als historisches Denkmal gehört die Gartenstadtsiedlung zur Internationalen Bauausstellung (IBA). Die Siedlung erstreckt sich auf einer Fläche von 21,6 ha.
1907
Der Bochumer Verein erwirbt von der Gewerkschaft Teutoburgia ein Grubenfeld zwischen Herne und Castrop. Mit dem Bau der Zechenbahn zum Bahnhof Börnig wird begonnen.
1909
Im August beginnt das Abteufen des Schachtes, ab Oktober werden nach den Plänen des Architekten Berndt 51 Wohnhäuser für 120 Familien entlang der Baarestraße und Laubenstraße gebaut.
Zu dieser Zeit gehörten die Zechen einzelnen Bergbauaktiengesellschaften, die in unmittelbarer Nähe des Betriebes Häuser sowohl für die Arbeiter als auch für die Angestellten und Steiger errichten ließen. Zu den Häusern gehörten immer große Nutzgärten, mit denen die Bergleute ihre Versorgung mit Lebensmitteln sicherstellen konnten. Die Gebäude selber waren als Reihen- oder Einzelhäuser mit Stallanbauten konzipiert. Eine Familie bewohnte separat ein Erd- und Obergeschoss und hatte die Möglichkeit, einen zahlenden Logiergast unterzubringen.
1911
Der volle Betrieb wird unter Tage aufgenommen. Die Beamten- und Steigerhäuser entlang der Schadeburgstraße werden ergänzt, die Geschosswohnungen an der Castroper Straße gebaut.
1912
Erweiterung der Siedlung mit der Bebauung entlang der Teutoburgiastraße und der Schreberstraße (früher: Gartenstraße).
1913
Bebauung entlang der Schlägelstraße und am östlichen Abschnitt der Castroper Straße. Während des ersten Weltkriegs werden die Bauarbeiten eingestellt.
1918
Die Wohnanlage "Teutoburgia-Hof" wird gebaut.
1921 - 1923
Die Bergmannssiedlung GmbH Herne erschließt den letzten Abschnitt der Siedlung mit der Bebauung an der Straße Teutoburgiahof (früher: Barbarastraße).
1925
Schwierigkeiten im gesamten Ruhrbergbau. Der Bochumer Verein schließt die Zeche Teutoburgia wegen Unwirtschaftlichkeit. Die Belegschaft (etwa 1.500 Bergarbeiter) wird auf Nachbarzechen untergebracht, ebenso die Beamten. Aus den Nachbarzechen ziehen pensionierte Beamte in die freigewordenen Beamtenhäuser in Teutoburgia.
Nach Gründung der Vereinigten Stahlwerke AG werden die Anlagen der Zeche Teutoburgia mit der Zeche Erin in Castrop-Rauxel zusammengefasst und von dort ausgebeutet. Teutoburgia wird als Wetter- und Seilfahrtschacht genutzt, die Tagesanlagen werden zum Teil abgebrochen.
1942/43
Auf dem Zechengelände werden Baracken für ein Kriegsgefangenenlager gebaut. Die Gefangenen ersetzen Bergleute, die als Soldaten eingezogen sind. Nur wenige Wohnhäuser werden im Krieg beschädigt, sie werden nach Kriegsende durch Neubauten ersetzt, die Baracken wieder abgerissen.
1945/46
Auflösung der Vereinigten Stahlwerke AG.
1948/49
Eine neue elektrische Fördermaschine wird auf Teutoburgia eingebaut, die Förderung übersteigt 1.000 Tonnen proTag. Das ehemalige Verwaltungsgebäude wird zu einem Wohnheim für ledige Belegschaftsmitglieder umgebaut.
1954
Gründung der VEBA AG, u. a. als Rechtsnachfolgerin der Vereinigten Stahlwerke AG.
1961/62
Fünfzig Jahre nach dem Bau der Siedlung werden die Straßen- und Kanalisationsverhältnisse grundlegend erneuert, das Beleuchtungsnetz ausgebaut und instandgesetzt. Die Stadt Herne übernimmt Eigentum und Unterhaltung der Erschließungsflächen.
1983
Die VEBA-Wohnstätten AG garantiert den Mietern das Dauerwohnrecht und erklärt, dass sie die Siedlung langfristig erhalten will: "Ein Abriss ist nicht geplant und wird auch nicht stattfinden."
1984
Mit Erstellung des Abschlussbetriebsplans werden nach dem Torhaus der Zeche auch die übrigen Gebäude bis auf das Schachtgerüst und die Maschinenhalle abgebrochen. Förderturm und Halle stehen heute unter Denkmalschutz.
1988
Beginn der Modernisierung aller Wohneinheiten unter dem Aspekt des Erhalts der Siedlung in ihren städtebaulichen Merkmalen und auch in der baulichen Gestalt der Häuser.
1989/90
Mit Aufnahme des Projekts in die IBA (Internationale Bauausstellung Emscher Park) erweiterte sich die Aufgabenstellung von der reinen Wohnungsmodernisierung zur Wohnumfeldverbesserung.
9. Mai 1998
Mit einem großen Siedlungsfest wird nach Vollendung des vierten Bauabschnitts der Abschluss der Maßnahmen gefeiert.
Seit 1987 wurde die Siedlung in sechs Bauabschnitten denkmalgerecht saniert und modernisiert. 1989 wurde die Modernisierung als Projekt in die Internationale Bauausstellung Emscher Park aufgenommen. Nach zehnjähriger Bautätigkeit wurde die Sanierung im Jahre 1997 abgeschlossen. Für die Erneuerung der Siedlung wurden circa 65 Millionen DM investiert.
Besonderes Gewicht wurde gelegt auf:
- die werk- und detailgetreue Rekonstruktion der Außenhaut der Gebäude
- die Entwicklung umweltverträglicher und ökologischer Modernisierungsstandards bei der Wahl von Baustoffen und -konstruktionen
- die Sicherung der Gartennutzung in den Innenhöfen
- die Gestaltung des öffentlichen Raumes durch kleinteilige Einzelmaßnahmen
- die Entwicklung siedlungsbezogener Konzepte zur Müllvermeidung, Umweltberatung etc.
- eine intensive Mieterberatung
- Grundrisse nach neuzeitlichen Wohnbedürfnissen
- alle Ver- und Entsorgungsleitungen und technischen Einrichtungen, die auf den neuesten Stand gebracht wurden.
Neben der Modernisierung der alten Siedlungshäuser, die von VEBA Immobilien durchgeführt wurde, nutzte die Stadt Herne die Möglichkeit, die Erneuerung auch auf das Wohnumfeld auszuweiten. Es wurden zusätzliche Bäume gepflanzt, Baumscheiben saniert, zwei Spielplätze und die Teutoburgiastraße umgestaltet. In diese Maßnahmen wurden 1,55 Millionen DM investiert.
Neben der Sanierung der historischen Gartenstadtsiedlung stand für die Stadt Herne und die IBA Emscher Park das „Gesamtensemble Teutoburgia“ im Blickpunkt. Dazu gehören neben der Zechensiedlung auch:
- die Korte-Düppe-Siedlung
- der Erhalt von Förderturm und Maschinenhaus
- die Umgestaltung des Zechengeländes zum „Kunstwald Teutoburgia“.
Auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Teutoburgia wurde 1995 der Kunstwald errichtet. Unter Trägerschaft des Kommunalverbandes Ruhrgebiet wurde hier Landschaft als Teil des Grünzugs E wiederhergestellt und für die Menschen aus den umliegenden Stadtteilen zugänglich gemacht. Künstler haben Objekte für den neu angelegten Park entwickelt und so den Übergang von der Siedlung in die Landschaft mitgestaltet. Der Künstler Christoph Schläger hat sein Atelier in der ehemaligen Maschinenhalle und bringt mit seiner Arbeit und spektakulären Kunstaktionen neues Leben auf die Zechenbrache.
Eine Siedlung in der Siedlung ist am nordöstlichen Rand der Teutoburgia-Siedlung entstanden.
Die Mieter und Mieterinnen der 19 neuen Wohnungen in den zwei Bauabschnitten in der Schadeburgstraße und in der Straße Am Knie sind die ehemaligen Bewohner der heute abgerissenen Arbeiter-Siedlung Korte-Düppe aus Herne-Baukau.
30 Familien schlossen sich 1986 zu einer Bürgerinitiative zusammen, um sich für den Erhalt ihrer alten Siedlung stark zu machen. Zusammen mit der Stadt und der VEBA Immobilien ließen sie sich dann auf eine Experiment ein: 15 Familien zogen von der Korte-Düppe-Siedlung nach Teutoburgia.
Dort standen am Rande der Siedlung zwei Brachgrundstücke zur Verfügung. Die Korte-Düpper wurden von Anfang an in die Planung einbezogen und konnten ihre Vorstellungen von Wohnqualität konstruktiv einbringen.
Sie konnten mitreden bei:
- der Veränderung der städtebaulichen Konzepte
- dem Zuschnitt und der Verteilung der Wohnungen
- der Grundrissplanung und -qualität der Wohnungen und Ausstattungsdetails
- der Bildung neuer Hausgemeinschaften und Nachbarschaften
- der Gestaltung der Freianlagen
- der Ökologie am Haus und im Wohnumfeld.
Der Einsatz hat sich gelohnt. Seit 1992 wohnen die ehemaligen Korte-Düpper nun in der Siedlung Teutoburgia. Das Experiment ist gelungen.
Wer hat das ehemalige Betriebsgelände der Zeche Teutoburgia aus seinem gut 70-jährigen Dornröschenschlaf erweckt? Einer der in Frage kommenden Prinzen ist gewiss der Klangkünstler Christof Schläger aus Herne, durch dessen Initiative der KunstWald entstand. 700 000 Mark investierten der Kommunalverband Ruhrgebiet und das Land in die Umgestaltung des 5,5 Hektar großen Geländes. 2,4 Millionen Mark flossen in die Restaurierung des Förderturms und der Maschinenhalle.
Der moderne Garten Eden, zu dem zehn Künstler die Ideen lieferten, ist eine gelungene Mischung aus Natur und Kunst. Ins Auge fällt als erstes der "Fußgänger", ein 12 Meter hoher Stahlkoloss, der mit Wein zuranken soll und den Prozess der Veränderung durch die Jahreszeiten sichtbar macht. Der Besucher wird von der Siedlung Teutoburgia aus, eine der schönsten "Gartenstädte" im Ruhrgebiet, über einen gepflasterten Weg in den KunstWald geleitet. Das den Weg begleitende Mäuerchen entspricht den Grundstücksgrenzen. Dieser "Ariadnefaden" zeigt sich dem Besucher unterschiedlich deutlich, er "verschwindet" im Boden oder verläuft nur noch als flaches Fundament neben dem Weg. Schaut man nach links, weist die Gestaltung auch hier wieder auf die Zechenvergangenheit hin: Ein versenkter Platz bedeutet, dass es hier und auch an anderer Stelle des Areals noch alte Schachtfundamente gibt. Die verzinkten Stahlgerüste markieren den "Wendepunkt", die Außenseite des KunstWaldes.
Klingender Duftgarten und Zitatensteine
Auf dem Hauptplatz dehnt sich neben einer alten Platanenreihe eine mit Wegen durchschnittene Grünfläche aus, eine Art Blumenbeet. Im "klingenden Duftgarten" verströmen Minze, Kamille, Lavendel und heimische Wildstauden einen angenehmen Geruch. Zum optischen und olfaktorischen Erlebnis kommt noch ein akustisches: Aus vier Holzpodesten erklingt sphärische Musik, die "Windmelodie aus der Tiefe". Begleitet wird der Besucher durch sogenannte "Zitatensteine", die bestimmte Assoziationen hervorrufen: "Versunken", "Erinnerung", "Die Zeit hat Geduld" und "Paradies" sind die ersten Zitate, auf die man stößt.
Im Zentrum steht der "Obelisk", der wie ein mystischer Ort wirkt. Acht Quader und Eiben gruppieren sich im Wechsel rund um das Entgasungsventil über dem 1. ehemaligen Schacht. Hier könnte man sich Zeit für eine kurze Meditation nehmen.
Der weithin sichtbare Förderturm und die Maschinenhalle sind fester Bestandteil des Parks. Die Schlüsselgewalt über die Halle hat der Förderverein KunstWald Teutoburgia, der hier einen lebendigen Arbeits- und Aktionsplatz hat entstehen lassen. Wer an der Halle stehend den Blick einmal nach unten senkt, erkennt eine Pflasterung auf dem Hallenvorplatz, die wie ein Schattenwurf des Giebels aussieht - die "abgeklappte Fassade". Zudem wurde der bestehende Waldbereich durchgeforstet, 6000 Gehölze neu gepflanzt, darunter Hainbuchen, Eichen, Eschen und Kirschbäume. Zusätzlich wurde ein 700 Meter langes Rad- und Wanderwegenetz gebaut, das den Anschluss an den Emscher Park Rad- und Wanderweg sichert.
Der KunstWald ist ein Baustein im Regionalen Grünzug E des Emscher Parks an der Stadtgrenze von Herne zu Castrop Rauxel. Anfahrt: Autobahn 42, Abfahrt Herne-Börnig, Sodinger Straße, links in die Schadeburgstraße abbiegen.