Durch viele Ausstellungen und Veranstaltungen hat sich die Künstlerzeche Unser Fritz nicht nur einen Namen als Begegnungsstätte der Kunst erworben - sie ist auch Arbeitsstätte vieler Künstler. Um genau zu sein: Derzeit kommen elf Künstler ihrem kreativen Schaffen in jeweils eigenen Atelierräumen im alten Kauengebäude der Zeche nach.
Der erste, der diese Idee hatte und in die Tat umsetzte, war der Herner Grafiker und Objektkünstler Helmut Bettenhausen. 1964 richtete er dort sein Atelier ein - auf dem Pütt, auf dem sein Vater ein halbes Leben lang eingefahren war. Bettenhausen kann damit zu Recht als Vorreiter einer Bewegung bezeichnet werden, die erst viele Jahre später unter dem Einfluss der IBA Emscherpark zentrale Bedeutung gewann und die kurz und knapp mit dem Wort Strukturwandel auf den Punkt gebracht werden kann. Denn das Ruhrgebiet stand wie keine andere Region vor allem vor der Herausforderung, die Hinterlassenschaften des Bergbaus in Zukunftsträchtiges umzuwandeln. Ein Bergwerk wird zur Künstlerzeche: eine faszinierende Vision, der sich 1972 weitere Künstler anschlossen, z.B. Winfried Labus, Jörg und Jens Blome, HD Gölzenleuchter, Angelika Voss und der inzwischen verstorbene Günter Dworak (um nur einige zu nennen).
Wo Künstler arbeiten, sind offene Türen: Gäste, Sammler, Freunde, Kollegen anderer Sparten stellten sich ein. Vor allem Musiker entdeckten bald, dass Rock und Jazz und Zeche ideal miteinander harmonieren. Ausstellungen, Diskussionen, Konzerte, Lesungen verdichteten sich förmlich zu einem üppigen Veranstaltungsprogramm. Spätestens seit dem ersten Heringsessen im Jahr 1978, bei dem sich auch Hernes Kommunalpolitik zur Künstlerzeche bekannte, zählte "Unser Fritz" zu den unangreifbaren Kulturinstitutionen der Stadt und der Region. Zum Glück signalisierte auch das Ministerium des Landes NRW für Stadtentwicklung und Verkehr 1994, dass an ihm eine dringend erforderliche Sanierung des Zechengebäudes nicht scheitern sollte. Der ein Jahr zuvor gegründete Förderverein erarbeitete ein Konzept, der Aus- und Umbau konnte Ende der 90er Jahre beginnen - und zwei Jahre später, nämlich am 29. November 2002 mit einer feierlichen Eröffnung des neuen Begegnungszentrums an der Alleestraße 50 abgeschlossen werden. Das 1,3 Millionen Euro teure Projekt wurde von Stadt, Förderverein und dem Land NRW gemeinsam gestemmt.
Ist die Künstlerzeche Unser Fritz 2/3 inzwischen wahrhaftig nur der Kunst verschrieben, so geht aus ihrem Namen natürlich die bergbauliche Vergangenheit hervor.
Die Zeche wurde 1871 gegründet, benannt wurde sie liebevoll "Unser Fritz" - wahrscheinlich nach Kronprinz Wilhelm Friedrich (als Friedrich III. später 100 Tage lang König von Preußen und deutscher Kaiser) und unter dem frischen Eindruck seiner "herrlichen Waffentaten" im Deutsch-Französischen Krieg. In einer Tiefe von 271 Metern konnte die Förderung des schwarzen Goldes, über dessen Qualität die Kunden allerdings anfangs maulten, etliche Monate später schließlich beginnen, 1875 betrug sie bei 530 Mann Belegschaft fast 100.000 Tonnen. Zehn Jahre später nahm Schacht 2 die Kohlenförderung auf, mit ihm erreichte "Unser Fritz" die 200.000-Tonnen-Marke. Schacht 3 und 4 folgten, üppig fließende Gewinne wurden in den Betriebsausbau gesteckt. Sogar eine Ziegelei entstand, um damit den immensen Eigenbedarf an Baumaterial zu decken. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts nahmen zwei Kohlenwäschen ihren Betrieb auf, 1911 folgte die Kokerei. Mit dem Bau einer Benzolfabrik endeten die Vorkriegs-Investitionen. Das Umfeld der Zeche hatte sich inzwischen stark verändert: In das alte Bett der Emscher wurde der Rhein-Herne-Kanal gelegt und "Unser Fritz" erhielt seinen eigenen Hafen mit Wende- und Liegeplatz für mehrere Kähne.
Der Einmarsch der Franzosen ins Revier am 22. Juli 1923 und der militärisch angeordnete Abtransport betriebswichtigen Materials setzten dem bis dato erfolgreichen Bergwerk dann gehörig zu. Die Wirtschaftlichkeit der seit 1918 zu den Mannesmann-Röhrenwerken gehörenden Zeche erlahmte nicht nur aufgrund des Verfalls der deutschen Währung, sondern eben auch aufgrund der fortdauernden Besatzung des rheinisch-westfälischen Industriegebietes. Mannesmann beklagt die Unmöglichkeit, Rohprodukte heranzubringen und Fertigprodukte zu versenden. "Die Stilllegung unserer sämtlichen Betriebe war die Folge", heißt es im Geschäftsbericht für das Jahr 1924. Auf "Unser Fritz" wurde zunächst Mitte 1925 die Kokerei dicht gemacht, im Dezember dann die heutige Künstlerzeche, also die Betriebsabteilung 2/3. Ende des Jahres 1928 stellte Mannesmann den Betrieb dann ganz ein, hielt die Anlage jedoch instand. Und so erlebte "Unser Fritz" nur acht Jahre später im Hinblick auf den Energiebedarf einer erneut Krieg führenden Nation die Wiederinbetriebnahme als Außenanalge des Bergwerks "Consolidation", mit dem seit 1923 ein Verbund bestand.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und mit dem Aufblühen der Industrie im Wirtschaftswunder-Deutschland erhöhte sich auch auf "Consol / Unser Fritz" die Kohlenfördermenge rasch - schon 1950 betrug sie knapp eine Million Tonnen. In den 60er Jahren machten Importe aus den USA und Australien sowie eine Rezession den Gruben im Ruhrgebiet das Überleben schwer. Auf "Unser Fritz" wurde 1967 die Seilfahrt zeitweise eingestellt, die Förderung insgesamt halbiert. Anderen Zechen ging es nicht besser...
Nach Gründung der Ruhrkohle AG wurden die Schachtanlagen "Consol / Unser Fritz" und "Pluto" 1970 zu einer Werksdirektion zusammengefasst. Die letzte Seilfahrt fand am 2. Oktober 1993 statt. Das Hundertjährige hat "Unser Fritz" - wenn auch nicht mehr selbstständig - also noch erlebt.
Textquellen:
Förderverein Unser Fritz e. V., "Von der Kohle zur Kunst - Die Chronik der Zeche Unser Fritz 2/3 in Herne", 2002
Manfred Hildebrandt, "Herne - Eine historische Zeitreise", 1998
Seit dem 1. Januar 2000 ist die Stadt Herne Besitzerin des Gebäudes. Im Oktober 2002 schloss der Förderverein mit der Stadt einen Mietvertrag ab und ist seitdem offizieller Träger der Künstlerzeche Unser Fritz 2/3. 400 Quadratmeter Raum für Begegnungen mit der Kunst.
Künstlerzeche Unser Fritz 2/3
Zur Künstlerzeche 2
44653 Herne
Telefon und Ansprechpartner siehe
Internetauftritt Künstlerzeche
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