|
|
Sachverhalt:
In
seiner Sitzung am 6. März 2008 wurde dem Jugendhilfeausschuss der „Familienbericht
Herne 2007 - Lebenslage und Zufriedenheit von Familien“ im Rahmen einer ersten
Präsentation vom Zentrum für interdisziplinäre Ruhrgebietsforschung (ZEFIR)
vorgestellt. Eine weitergehende inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Bericht
wurde von Seiten der Verwaltung für einen späteren Sitzungstermin angekündigt.
Dieses
Verfahren wurde gewählt, um einerseits den Ausschussmitgliedern und der
Verwaltung nach der erstmaligen öffentlichen Vorstellung die Gelegenheit
einzuräumen, sich in den umfangreichen Bericht einzuarbeiten. Andererseits
sollte vor einer weitergehenden inhaltlichen Auseinandersetzung die Vorstellung
des Familienberichtes in weiteren Fachausschüssen sowie in den
Bezirksvertretungen abgeschlossen sein.
Als Resümee der Präsentationen kann festgehalten werden, dass der erste
Herner Familienbericht in der Fachöffentlichkeit auf großes Interesse gestoßen
ist. Nach dieser ersten Vorstellungsrunde wird es nun in einem zweiten Schritt
darum gehen, eine inhaltliche Diskussion im Jugendhilfeausschuss zu führen und
den Bericht insbesondere unter jugendpolitischen Gesichtspunkten zu bewerten
sowie Themenfelder für die weitere Behandlung zu benennen und den weiteren
Umgang mit dem Familienbericht im Ausschuss abzustimmen. Dieser Diskurs soll,
wie beim letzten Sitzungstermin von Seiten der Verwaltung bereits angekündigt,
am 12. Juni im Jugendhilfeausschuss erfolgen.
a) Inhaltliche Diskussion des
Familienberichtes Herne 2007
Für
die Diskussion bietet es sich an, die Zusammenfassung
des Familienberichtes auf den Seiten 137 - 141 als Grundlage heranzuziehen,
da hier ausgewählte Ergebnisse zusammengeführt und erste Handlungsanregungen
für eine Familienförderung als örtliche Familienpolitik aufgezeigt werden.
Die
wesentlichen Aussagen sollen an
dieser Stelle nochmals kurz skizziert werden:
Der
vorliegende Familienbericht hat die Situation von Familien und Kindern sowie
die Bedingungen, unter denen die Familien in Herne leben, in einer umfassenden
Perspektive in den Blick genommen. Im Fokus des Interesse stand hierbei die sogenannte
„Kernfamilie“, das heißt es wird das Familienleben in einem gemeinsamen
Haushalt von Eltern mit minderjährigen Kindern betrachtet.
Der
Schwerpunkt des ersten Herner Familienberichtes liegt auf der Darstellung der
„Ist-Situation“ und beschränkt sich auf die Skizzierung von ersten Handlungsanregungen
als Ergebnis der Analysen.
Im
folgenden werden ausgewählte Ergebnisse des Herner Familienberichtes zu den Themen
Bevölkerungsentwicklung und Bevölkerungsprognose, kleinräumige Disparitäten,
wirtschaftliche Lage von Familien, Familienarmut und Lebenslagen armer Familien
in Herne, Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Lebenssituation
von Kinder und Verbesserung von Bildungschancen sowie die Ausgestaltung des
Wohnumfeldes kurz dargestellt.
§
Die
Bevölkerungsentwicklung in Herne von 1975 bis heute kann als typisch für das
nördliche Ruhrgebiet bezeichnet werden („Wir werden weniger, älter und bunter“).
§
Gemäß
Bevölkerungsprognose des LDS werden sich die grundlegenden Trends der
Bevölkerungsentwicklung weiter fortsetzen: Herne wird bis 2025 weiter an
Einwohnern verlieren. Der Anteil von Kinder und Jugendlichen wird weiter abnehmen.
Deutlich zunehmen hingegen wird der Anteil der Hochbetagten.
§
Die kleinräumigen
Disparitäten sind in Herne auf Ebene der statistischen Bezirke relativ groß.
§
Es gibt „ältere“ und
„jüngere“ statistische Bezirke, Räume, in denen mehr Nichtdeutsche leben als in
anderen, stärker „familiengeprägte“ Räume, und solche, die durch eine Häufung
bestimmter Familienformen auffallen.
§
Das monatliche
Nettodurchschnittseinkommen der Familien mit mindestens einem Kind unter 18
Jahren in Herne liegt bei 2.259 Euro, das Nettoäquivalenzeinkommen bei 900 Euro
monatlich.
§
Es gibt
Einkommensunterschiede zwischen den Stadtbezirken und auch größere
Einkommensunterschiede zwischen den verschiedenen Familienformen.
§
Familien in Herne sind
im Landesvergleich eher überdurchschnittlich von Einkommensarmut betroffen.
§
Die mit Abstand am
meisten armen und armutsnahen Familien finden sich im Stadtbezirk Wanne.
§
Besonders
armutsgefährdet sind Alleinerziehende, kinderreiche Familien und Familien mit
Migrationshintergrund.
§
Etwa ein Viertel der
Herner Familien lebt in Armut bzw. in armutsnahen Verhältnissen, obwohl mindestens
ein Elternteil erwerbstätig ist („working poor“).
§
Armutslagen bedeuten
nicht nur eine Einschränkung in finanzieller Hinsicht, sondern sie betreffen
auch andere Aspekte der Lebenslage: Arme und armutsnahe Familien in Herne haben
kleinere Wohnungen und häufiger einer Migrationshintergrund sowie einen
geringeren Bildungsstatus.
§
Das gängige Modell der
Erwerbsaufteilung ist auch in Herner Paarhaushalten mit Kindern das klassische
Ernährermodell mit dem Vollzeit erwerbstätigen Mann und der Hausfrau, die die
Familienarbeit leistet und höchstens Teilzeit erwerbstätig ist.
§
In den Herner Familien
findet sich eine noch deutlich geschlechtsspezifisch und traditionell geprägte
Arbeitsteilung der Hausarbeiten zwischen Vätern und Müttern.
§
Wichtige Voraussetzung
für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit ist die
institutionelle Betreuung der Kinder in den Tageseinrichtungen und
Grundschulen.
§
Die Versorgungsquote im
Bereich des Rechtsanspruches für Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren
liegt in Herne bei 98 Prozent. Der politisch definierten Bedarfsdeckungsquote
von 95 Prozent kann mit dem bereitgestellten Angebot in den Herner
Tageseinrichtungen voll entsprochen werden.
§
Defizite bestehen im
Bereich der Ganztagsbetreuung und bei der U3-Betreuung: Nur für jedes fünfte
Kindergartenkind im Alter von drei bis sechs Jahren steht ein Ganztagsplatz zur
Verfügung. Es gibt einen zusätzlichen Bedarf an institutionellen
Betreuungsplätzen bei der Betreuung von unter Dreijährigen.
§
Kinder und Jugendliche
sind die am häufigsten von Armut betroffenen Altersgruppe.
§
Fast die Hälfte (48
Prozent) aller Herner Kinder und Jugendlichen lebt in armen oder armutsnahen
Verhältnissen.
§
Kinder aus Familien mit
besonderem Unterstützungsbedarf sind noch einmal deutlich schlechter gestellt
und dies nicht nur in finanzieller Hinsicht.
§
Die wirtschaftliche Lage
der Familie wirkt sich unmittelbar auf die Lebensbedingungen und Lebenschancen
von Kindern aus.
§
Es besteht ein enger
Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und den Bildungschancen der Kinder
(„Bildungsarmut“).
§
Kinder aus nichtdeutschen
Familien sind beim Zugang zu höheren Schulabschlüssen benachteiligt.
§
Neben der
Staatsangehörigkeit bzw. dem Migrationshintergrund sind weitere soziale
Einflussfaktoren und Einflüsse der Familiensituation für die Bildungsbeteiligung
wirksam: Für Kinder aus Familienhaushalten mit niedriger Qualifikation und aus
einkommensarmen Familienhaushalten sind die Startbedingungen für das spätere
Leben deutlich schlechter.
Ausgestaltung des Wohnumfeldes
§
Für Familien mit Kindern
ist ein kindgerechtes Wohnumfeld besonders wichtig.
§
Herner Familien
kritisieren eine ganze Reihe einzelner Aspekte des jeweiligen Wohnumfeldes, die
in den einzelnen Ortsteilen und Stadtbezirken allerdings eine recht
unterschiedliche Gewichtung erhalten.
§
Über alle Stadtbezirke hinweg
zeigt sich insbesondere hinsichtlich der Freizeitangebote und -einrichtungen
für Kinder und der Aufenthaltsmöglichkeiten für ältere Kinder und Jugendliche
ein größeres Kritikpotential.
§
Trotz der Kritikpunkte
sind insgesamt sind 57 Prozent der Familien in Herne (sehr) zufrieden mit dem
Wohnumfeld.
§
Besonders Familien im
Stadtbezirk Wanne beurteilen das Wohnumfeld aber kritischer.
§
Kommunale
Familienpolitik kann gemeinsam mit anderen Akteuren gerade bei der Gestaltung
eines familienfreundlichen Wohnumfeldes Verbesserungen für Familien erreichen.
Diese Maßnahmen sollten gemeinsam mit den in den Ortsteilen ansässigen Familien
geplant werden, da die angeführten Defizite örtlich sehr unterschiedlich sind.
§
Aspekte eines
familienfreundlichen Wohnumfeldes sollten darüber hinaus auch in anderen
Bereichen der Stadtentwicklung berücksichtigt werden, um die Attraktivität und
Erreichbarkeit der städtischen Infrastruktur für Kinder zu verbessern.
Bewertung der Kinderfreundlichkeit der
Stadt Herne
§
Jede vierte Herner
Familie stimmt der Aussage „Herne ist eine kinderfreundliche Stadt“ voll und
ganz bzw. eher zu, knapp jede dritte nicht bzw. überhaupt nicht.
§
Unentschieden bei der
subjektiven Bewertung der Kinderfreundlichkeit sind dagegen 43 Prozent der
Familien.
§
Deutliche Unterschiede
lassen sich bei der Bewertung der Kinderfreundlichkeit zwischen den
Stadtbezirken feststellen.
§
Familien in den
Stadtbezirken Eickel und Sodingen schätzen die Kinderfreundlichkeit der Stadt
Herne besser als im stadtweiten Durchschnitt ein, während Familien in den
Stadtbezirken Wanne und Herne-Mitte sie unterdurchschnittlich bewerten.
§
Vor allem im Stadtbezirk
Wanne wird die Kinderfreundlichkeit der Stadt negativ bewertet: Mit 46 Prozent
stimmt fast die Hälfte der Familie der Aussage „Herne ist eine
kinderfreundliche Stadt“ eher nicht bzw. gar nicht zu.
Grundsätzlich: Kommunale Familienpolitik muss sich an die Familien
wenden, die heute in Herne leben und die einen besonderen Unterstützungsbedarf
haben. Notwendig ist eine integrierte Politik im Stadtteil (bspw. Projekt
„Soziale Stadt“) unter Einbezug aller relevanten Akteure und breiter
Beteiligung von Familien.
Ø Identifizierung von Wohngebieten, in denen Familien
leben, die einer besonderen Förderung bedürfen.
Ø Bereitstellung eines nachfragegerechten Angebotes an
institutionellen Ganztagsbetreuungsplätzen im vorschulischen und schulischen
Bereich sowie Ausbau der Betreuungsangebote für unter dreijährige Kinder.
Ø Frühestmögliche Förderung von Kindern aus sozial
benachteiligten Milieus und von Migrantenkindern. Bsp. kann daraufhin gewirkt
werden, dass möglichst alle Kinder mit drei Jahren eine Kindertagseinrichtung
besuchen, um eine entsprechende sprachliche und gesundheitliche Förderung zu
erhalten.
Ø Gezielte Förderung des gleichberechtigten Zugangs
aller Kinder unabhängig von der sozialen Herkunft zu höheren Schulabschlüssen.
Ø ...
b) Sachstand der verwaltungsinternen
Diskussion des Familienberichtes
Die
verwaltungsinterne Diskussion des
Familienberichtes im Fachbereich Kinder-Jugend-Familie wird zurzeit auf
unterschiedlichen Ebenen und in verschiedenen Gremien geführt.
Abteilungsübergreifend hat auf Leitungsebene zusammen mit der Fachbereichsleitung
und der Jugendhilfeplanung am 26. Mai 2008 ein Klausurnachmittag stattgefunden,
an dem zum Einen über den Umgang mir dem Familienbericht in den einzelnen
Abteilungen berichtet und zum Anderen auch inhaltlich mit dem Bericht
gearbeitet wurde.
Festgehalten
werden kann zum jetzigen Zeitpunkt, dass der Beratungsstand in den
Fachabteilungen unterschiedlich weit vorangeschritten ist. Beispielsweise wurde
der Bericht im Rahmen einer Dienstbesprechung in der Abteilung Jugendförderung
Anfang Mai zusammen mit den Mitarbeitern ausgewertet. Der Fokus lag hier entsprechend
auf dem Bereich der Jugendfreizeit und thematisierte vorrangig die Fragestellung,
was bedeuten die Daten und Erkenntnisse des Familienberichtes für dieses
Handlungsfeld der Jugendhilfe. Im Allgemeinen Sozialen Dienst wird auf Ebene
der Arbeitsgruppen des Allgemeinen Sozialen Beratungsdienstes sowie der Spezialsachgebiete
Pflegekinderdienst und Jugendgerichtshilfe der Familienbericht diskutiert. Im
Bereich der Tageseinrichtungen haben erste Auswertungsgespräche zwischen
Abteilungsleitung und pädagogischer Fachberatung stattgefunden. Die Erziehungsberatungsstelle
hat bereits ein schriftliche Stellungnahme verfasst.
Im
Fachbereich Kinder-Jugend-Familie wurde mit den Abteilungsleitungen vereinbart,
dass alle Abteilungen des Fachbereiches schriftliche Stellungnahmen bis Ende
Juli erarbeiten, die dann zusammen mit den Ergebnissen des Klausurnachmittags
in einem „Positionspapier“ des Fachbereichs 42 zusammengefasst werden. Dieses
soll dann dem Jugendhilfeausschuss nach der Sommerpause vorgestellt werden.
Gleichzeitig sollen die Ergebnisse des verwaltungsinternen Diskurses auch mit
in die Familienkonferenz einfließen.
c) Durchführung der „1. Herner
Familienkonferenz“
Ausgehend
von der Empfehlung, dass die konkrete Maßnahmenentwicklung und -planung auf
Basis der im Familienbericht vorgestellten Ergebnisse nur vor Ort in einem
breit angelegten Diskussionsprozess erfolgen kann, wird die Verwaltung im
Herbst diesen Jahren (vgl. hierzu auch JHA-Vorlage Nr. 2008/0291) die „1. Herner Familienkonferenz“
durchführen. Das Forum der Familienkonferenz soll dazu dienen, die örtliche
Familienpolitik in Herne strategisch abzustimmen, sowohl bezüglich der
inhaltlichen Schwerpunktsetzung als auch in der zeitlichen Dimension. In diesem
Gremium soll unter Einbezug aller relevanten Akteure aus Politik, Verbänden und
Verwaltung ein Austausch über Inhalte und mögliche Perspektiven der Familienförderung
stattfinden. Die Beteiligung von Familien als unmittelbare Adressaten wird zu
einem späteren Zeitpunkt erfolgen.
Ausgehend
von der Prämisse, dass der Diskussionsprozess zum Ablauf und Inhalt der Familienkonferenz offen und transparent
gestaltet sein soll, sind die nachstehenden Ausführungen der Verwaltung als
Arbeits- und Diskussionshilfe für den Jugendhilfeausschuss zu verstehen. Die
Auswahl der Themen für die Arbeitsgruppen ergibt sich auf Basis des
Familienberichtes und dem fachlichen Diskurs im Ausschuss.
Der
Ablauf der Familienkonferenz könnte
wie folgt gestaltet werden:
1.
Begrüßung
2.
Einleitender Vortrag zum Stellenwert
örtlicher Familienpolitik
3.
Rückfragen und Aussprache
4.
Arbeitsgruppen zu 3 ausgewählten Themen mit
Impulsreferaten
5.
Vorstellung der Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen
6.
Abschlussplenum und Ausblick
Die
Familienkonferenz wird in Kooperation mit Mitarbeitern aus dem Team der „Familienberichterstattung“
durchgeführt. Die Familienkonferenz sollte als ½-tägige Veranstaltung (Dauer
ca. 4 Stunden) durchgeführt werden. Es bietet sich aufgrund des Adressatenkreises
an, die Veranstaltung unter der Woche entweder am späten Nachmittag oder
Samstagvormittag stattfinden zu lassen. Das Veranstaltungsdatum wird frühzeitig
mit den Mitgliedern des JHA festgelegt.
Die
Ausschussmitglieder werden darum gebeten, die Ihnen bereits mit den
Sitzungsunterlagen im März zugegangenen schriftlichen Exemplare des
Familienberichts zum Sitzungstermin mitzubringen.
Der Oberbürgermeister
In Vertretung
Gudrun Thierhoff
Stadträtin
Anlagen: