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Ratsinformationssystem

Vorlage - 2023/0881  

Betreff: Mobilitätswende Herne
Status:öffentlichVorlage-Art:öffentliche Beschlussvorlage
Verfasser:Jakert, Dana
Federführend:FB 53 - Tiefbau und Verkehr Bearbeiter/-in: Gorba-Karwath, Sabine
Beratungsfolge:
Ausschuss für Planung und Stadtentwicklung Vorberatung
19.09.2023 
des Ausschusses für Planung und Stadtentwicklung geändert beschlossen   
Ausschuss für Digitales, Infrastruktur und Mobilität Vorberatung
21.09.2023 
des Ausschusses für Digitales, Infrastruktur und Mobilität geändert beschlossen   
Ausschuss für Umweltschutz Vorberatung
26.09.2023 
des Ausschusses für Umweltschutz geändert beschlossen   
Bezirksvertretung Wanne Vorberatung
17.10.2023 
der Bezirksvertretung des Stadtbezirks Wanne beschlossen   
Bezirksvertretung Eickel Vorberatung
19.10.2023 
der Bezirksvertretung des Stadtbezirks Eickel geändert beschlossen   
Bezirksvertretung Sodingen Vorberatung
25.10.2023 
der Bezirksvertretung des Stadtbezirks Sodingen beschlossen   
Bezirksvertretung Herne-Mitte Vorberatung
26.10.2023 
der Bezirksvertretung des Stadtbezirks Herne-Mitte geändert beschlossen   
Haupt- und Personalausschuss Vorberatung
31.10.2023 
des Haupt- und Personalausschusses beschlossen   
Rat der Stadt Entscheidung
31.10.2023 
des Rates der Stadt geändert beschlossen   

Finanzielle Auswirkungen
Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

       


Beschlussvorschlag:
 

  1. Der Rat der Stadt Herne beschließt die nachfolgend beschriebene Mobilitätswende Herne als Leitbild für die zukünftige verkehrsplanerische Ausrichtung der Stadt Herne. Im Sinne der Mobilitätswende Herne sind die Belange des Umweltverbundes aus öffentlichem Verkehr, Rad- und Fußverkehr bei allen zukünftigen Planungsverfahren und planerischen Entscheidungen in der Regel höher als bisher zu gewichten. Oberstes Ziel bleibt weiterhin die Verkehrssicherheit aller Menschen.

 

  1. Die Verwaltung wird beauftragt, die nachfolgend beschriebenen Schritte zur Umsetzung der Mobilitätswende Herne durchzuführen. Dabei sind in einem ersten Schritt die beschriebenen Maßnahmen im Modellraum Herne-Mitte umzusetzen. Die Einzelmaßnahmen werden in den entsprechenden Gremien zur Beschlussfassung vorgelegt und haushalterisch verifiziert.

 

  1. Die Verwaltung stellt regelmäßig einen Sachstandsbericht vor.

                       


 

Sachverhalt:
 

 

  1. Ausgangslage

 

1.1.       Klimaschutz als globale Herausforderung

Der Klimaschutz ist eine der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben unserer Zeit. Aufgrund der mit dem Klimaschutz verbundenen globalen Herausforderungen hat sich die internationale Staatengemeinschaft auf der UN-Klimakonferenz 2015 in Paris dazu verpflichtet, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celcius, möglichst auf unter 1,5 Grad Celcius, im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen.

 

Der im März 2023 veröffentlichte Sachstandsbericht des IPCC („Weltklimarat“) macht deutlich, dass enorme Anstrengungen nötig sind, um das 1,5 Grad Ziel zu erreichen. Die beteiligten Wissenschaftler*innen kommen zu dem Schluss, dass die bisherigen Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel zu wenig ambitioniert und weitreichend sind und warnen, dass sich die Erde ohne ein entschlossenes und sofortiges Handeln schon in den 2030er Jahren um 1,5 Grad Celcius erwärmt haben wird.

 

Am 24.03.2021 hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts klargestellt: Es ist in Deutschland alles Gebotene zu tun, um den menschengemachten Klimawandel in beherrschbaren Grenzen zu halten. Eine Folge aus dem Urteil ist das am 24.06.2021 durch den Bundestag geänderte Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG). Demnachssen die Treibhausgasemissionen des Verkehrs in Deutschland bis zum Jahr 2030 auf 85 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente sinken. Dies entspricht im Vergleich zum Jahr 2019 fast einer Halbierung (-49 %). Bis zum Jahr 2045 muss Deutschland laut Klimaschutzgesetz treibhausgasneutral werden. Der Expertenrat für Klimafragen hat jüngst bestätigt, dass es großer Anstrengungen bedarf, die Zielvorgaben des Klimaschutzgesetzes zu erreichen.

 

Wie Abbildung 1 zeigt, konnte der Verkehrssektor seine THG-Emissionen seit 1990 nicht spürbar verringern. Im Verkehrssektor wurden im Jahr 2022 rund 148 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausgestoßen. Dies sind rund 1,1 Millionen Tonnen mehr als im Jahr 2021 und rund 9 Millionen Tonnen mehr als die zulässige Jahresemissionsmenge laut KSG. Gemäß Projektionsbericht 2021 der Bundesregierung über die Entwicklung von THG-Emissionen nimmt die Lücke zwischen den gesetzlichen THG-Minderungszielen und den projizierten Emissionen zu. Das heißt, die bisherigen Maßnahmen haben zwar eine emissionsmindernde Wirkung, sind aber nicht weitreichend genug, um die Anforderungen des KSG zu erfüllen.

 


 

Der Verkehrssektor spielt als einer der größten Verursacher von Treibhausgasemissionen eine maßgebende Rolle zur Erreichung der nationalen und globalen Klimaschutzziele. Nicht zuletzt deshalb ist das Ziel, den Kfz-Verkehr und die mit ihm verbundenen negativen Begleiterscheinungen deutlich zu reduzieren, gleichzeitig aber die Mobilität der Menschen aufrecht zu erhalten, der Kern der inzwischen auf allen Ebenen mit Nachdruck angestrebten Verkehrswende.

 

1.2.       Die Mobilitätswende als lokaler Beitrag zur Verkehrswende

Die Verkehrswende ist die Gesamtheit aller Maßnahmen, die nötig sind, um unser Verkehrssystem hin zu einer umweltverträglichen, nachhaltigen und sozial gerechten Mobilität weiterzuentwickeln. Dies erfordert zum einen technologische Lösungen, wie beispielsweise den Ersatz fossiler Treibstoffe durch klimaneutrale Antriebsarten (Antriebswende bzw. Energiewende). Zum anderen braucht es einen gesellschaftlichen Wertewandel weg vom individuellen Kfz hin zu den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes (Mobilitätswende).

 

Die Umsetzung der Mobilitätswende liegt vorrangig in den Händen der Kommunen und ihrer Bürger*innen. Sie erfordert neben der Stärkung des Umweltverbundes durch die Kommunen auch ein „Umdenken“ und Verhaltensänderungen, die von vielen Menschen zunächst als Einschränkung der individuellen Freiheit empfunden werden können. Verstärkt durch diengst zu beobachtenden negativen Folgen des Klimawandels sowie aktuelle Erfahrungen mit Energieknappheit bzw. Energieabhängigkeit findet die Mobilitätswende aber zunehmenden Rückhalt in der Bevölkerung.

 

Auch in der Fachwelt der Verkehrsplanung sowie in der Verkehrspolitik zeichnet sich die Mobilitätswende immer deutlicher ab. Beispielhaft dafür sind die von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. (FGSV) als Stand der Technik veröffentlichten „Empfehlungen zur Anwendung und Weiterentwicklung von FGSV-Veröffentlichungen im Bereich Verkehr zur Erreichung von Klimaschutzzielen (E Klima 2022). Die E Klima 2022 enthalten Empfehlungen aus den Bereichen Verkehrsplanung, Straßenentwurf und Verkehrsmanagement zur Senkung der THG-Emissionen und des Endenergieverbrauchs im Bereich Verkehr.

 

Auch die angestrebte Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) soll Kommunen deutlich mehr Möglichkeiten zur Umgestaltung ihrer Straßen zu Gunsten der nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer*innen ermöglichen. Neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs sollen das StVG und die StVO so angepasst werden, dass die Ziele des Klima- und Umweltschutzes unterstützt werden.

 

1.3.       Bisherige Entwicklungen und Herausforderungen in Herne

Die Stadt Herne ist den oben beschriebenen Herausforderungen aktiv und vorausschauend begegnet. Bereits im Jahr 2016 hat die Verwaltung den Masterplan klimafreundliche Mobilität als lokale Strategie für eine klimaschonende Mobilit der Zukunft erarbeitet (Vorlage Nr. 2017/0107). Der Masterplan klimafreundliche Mobilität zielt schwerpunktmäßig darauf ab, den Anteil des motorisierten Individualverkehrs (MIV) zu Gunsten einer stärkeren Nutzung der Verkehrsmittel des Umweltverbunds aus Öffentlichem Verkehr (ÖV), Rad- und Fußverkehr zu reduzieren.

 

Die Handlungsempfehlungen des Masterplans wurden in einem Folgeprozess in eine „Integrierte Gesamtstrategie für klimafreundliche Mobilität in Herne“ weiterentwickelt und als solche im Jahr 2019 vom Rat der Stadt Herne als Grundlage der städtischen Aktivitäten mit Mobilitäts- und Verkehrsbezug beschlossen (Vorlage Nr. 2018/0727). Damit wurde der Grundstein für die Mobilitätswende auf lokaler Ebene gelegt.

 

 

Die tatsächliche Entwicklung des Kfz-Verkehrs anhand der Zulassungszahlen in Herne zeigt trotz der oben genannten Trends und Entwicklungen jedoch noch keine Anzeichen einer echten Wende. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Viele der im Masterplan bzw. in der Gesamtstrategie empfohlenen Maßnahmen konnten bislang aus unterschiedlichen Gründen nur eingeschränkt verfolgt bzw. umgesetzt werden. Es fehlte zum einen teilweise an einem gewissen Handlungsdruck, um den politischen Fokus vom Erhalt eines reibungslosen Autoverkehrs mehr in Richtung einer nachhaltigen Mobilität zu verschieben. Zum anderen werden Maßnahmen zur Förderung des Umweltverbundes oft kontrovers diskutiert und hemmen eine zügige Umsetzung. Erschwerend hinzu kamen die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das individuelle Mobilitätsverhalten, deren langfristige Effekte noch nicht absehbar sind.

 

Darüber hinaus haben sich insbesondere in der jüngeren Vergangenheit umfangreiche Chancen einer städtebaulichen und wirtschaftlichen Entwicklung ergeben, auf die die Stadt Herne keinesfalls verzichten möchte. Diese Projekte sind zur Entwicklung der Stadt Herne als attraktiver Wohn- und Wirtschaftsstandort unverzichtbar, bringen durch den mit ihnen verbundenen zusätzlichen Verkehr aber auch viele Herausforderungen mit sich.

 

Das Aufkommen im Kfz-Verkehr führt schon jetzt an verschiedenen Stellen im Verkehrsnetz zu spürbaren Beeinträchtigungen für alle Verkehrsteilnehmer*innen, insbesondere während der Hauptverkehrszeiten. An diesen hoch ausgelasteten Verkehrsanlagen bestehen nach den heutigen Maßstäben in der Regel keine Spielräume mehr für Verbesserungen zugunsten des Umweltverbundes. Dies betrifft sowohl die Aufteilung des Straßenraums als auch die Verteilung von Freigabezeiten an Lichtsignalanlagen.

 

 

  1. Die Mobilitätswende Herne

 

2.1.       Zielsetzung

Die Auswirkungen des Klimawandels sind für uns alle spürbar. Klar ist, dass ein „weiter so“ wie bisher in keinem Fall ausreichen wird, um die oben genannten Klimaschutzziele zu erreichen. Die Verkehrspolitik steht vor der Aufgabe, die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen und der Wirtschaft zukünftig mit weniger Verkehr zu erreichen. Dies erfordert auch auf lokaler Ebene einen Paradigmenwechsel. Voraussetzung für den Erfolg der Mobilitätswende ist eine entschlossene politische Rahmensetzung, in der der Kfz-Verkehr eine weniger dominante Position einnimmt als bisher.

 

Mit der Mobilitätswende Herne werden die Weichen gestellt, um den lokalen Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor zu leisten. Die Mobilitätswende Herne hat aber einen über den Klimaschutz hinausgehenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen. Der individuelle Kfz-Verkehr verursacht nicht nur Emissionen von Treibhausgasen, Luftschadstoffen und Lärm, sondern spielt auch eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Unfällen, Staus und beim Flächenverbrauch.

 

Neben der Erreichung der Klimaschutzziele sorgt die Mobilitätswende für einen sicheren und effizienten Verkehrsablauf, schafft ein gesundes Lebensumfeld durch den Schutz vor Lärm und Luftschadstoffen und sorgt für einen sparsamen und nachhaltigen Umgang mit Ressourcen. Die Mobilitätswende Herne schafft attraktive und lebenswerte Stadträume für alle Menschen, die in Herne leben, arbeiten und ihre Freizeit verbringen.

 

2.2.       Wesentliche Maßnahmen – Verkehr vermeiden, verlagern, verbessern

Kern der Mobilitätswende Herne ist es, die Rahmenbedingungen so zu stellen, dass die Mobilität der Menschen und der Wirtschaft in unserer Stadt mit möglichst geringen Emissionen verbunden ist. Dieses Ziel kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden.

Am klimafreundlichsten ist der Verkehr, der gar nicht erst entsteht. So nnen zum Beispiel eine nachhaltige Siedlungsentwicklung (kleinteilige Mischung aus Wohnen, Arbeiten, Ein-

 

kaufen und Erholen), die fortschreitende Digitalisierung der Arbeitswelt oder Fahrgemeinschaften dazu beitragen, dass unnötiger Verkehr vermieden wird.

 

Der Verkehr, der sich nicht vermeiden lässt, sollte so klimafreundlich wie möglich sein und die Bedürfnisse der Gegenwart so befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden. Ein weiterer wesentlicher Baustein der Mobilitätswende Herne ist deshalb die Verlagerung von Fahrten vom individuellen Kfz auf umweltfreundliche Verkehrsmittel wie den ÖV, Rad- und Fußverkehr sowie Sharing-Systeme. Eine stetige Angebotsverbesserung im ÖPNV, verbunden mit einem Ausbau von Car- und Bike-Sharing, kann den Umstieg vom eigenen Kfz auf den öffentlichen Verkehr unterstützen. Für kürzere Wege bietet sich die Stärkung der nichtmotorisierten Fortbewegungsarten an. In Herne werden 50% aller Wege, die kürzer als fünf Kilometer sind, mit dem eigenen Auto zurückgelegt. Hier besteht ein großes Potential für eine Verlagerung auf den Fuß- und Radverkehr. Dies kann bspw. durch den Ausbau alternativer Mobilitätsangebote in den Quartieren (z.B. Mobilstationen) und ein dichtes und sicheres Rad- und Fußwegenetz unterstützt werden.

 

Der restliche Verkehr, der sich weder vermeiden noch verlagern lässt, ist konsequent zu verbessern. Dies kann zum Beispiel durch die Förderung der Elektromobilität, aber auch durch eine Optimierung des Verkehrsablaufs erreicht werden.

 

Was zu tun ist, um die Mobilitätswende möglich zu machen, ist bekannt. Eine umfangreiche Liste geeigneter Handlungsfelder und Maßnahmen findet sich unter anderem in der Anlage zum Ratsbeschluss der Integrierten Gesamtstrategie für klimafreundliche Mobilität in Herne vom 26.02.2019 (Vorlage Nr. 2018/0727). Diese wird bestätigt und ergänzt durch die von der FGSV als Stand der Technik veröffentlichte E Klima 2022.

 

Die zentralen Handlungsfelder der Mobilitätswende Herne sind:

 

  • die gezielte und konsequente Förderung des Umweltverbundes (öffentlicher Verkehr, Fuß- und Radverkehr),
  • der Ausbau nachhaltiger Mobilitätsangebote inkl. deren Verknüpfung
  • ein Straßenentwurf „von außen nach innen", das heißt mit einem Fokus der Flächenverteilung auf durchgehend regelkonforme und attraktive Anlagen für den Fuß- und Radverkehr sowie die Aufenthaltsqualität
  • die Umverteilung von Verkehrsflächen zugunsten umweltfreundlicher Verkehrsmittel, Aufenthalts-, Grün-, und Retentionsflächen sowie Baumstandorten,
  • ein flächendeckendes Parkraummanagement zur Gestaltung und gezielten Steuerung des ruhenden Kfz-Verkehrs mit möglichst wenig Parkständen im Straßenraum
  • das Mobilitätsmanagement (standort- und zielgruppenbezogen),
  • eine auf die Aspekte der Mobilität abgestimmte weitere Entwicklung der Siedlungsstruktur und der Wirtschaft sowie
  • ein kontinuierliches Monitoring der Mobilitätsentwicklung durch entsprechende Haushaltsbefragungen und regelmäßige Zählungen.

 

 

2.3.       Das Szenario der Mobilitätswende in Herne

Bei konsequenter Befolgung und Umsetzung der oben beschriebenen Planungsgrundsätze und unter Berücksichtigung der von außen einwirkenden Rahmenbedingungen ist davon auszugehen, dass sich mittelfristig innerhalb der nächsten rund zehn Jahre eine Reduzierung der Kfz-Fahrten um rund 30 % in den Kerngebieten, bezogen auf die gegenwärtige Verkehrssituation (Analysefall), erreichen lässt.

 

Eine Reduzierung des Fahrtenaufkommens kann auf unterschiedliche Weise erreicht werden, z.B. durch eine geringere Wegehäufigkeit (bspw. durch fortschreitende Digitalisierung

 

der Arbeitswelt, Online-Einkäufe etc.), durch die Bildung intermodaler Wegeketten, durch einen geringeren MIV-Anteil am Modal-Split durch verstärkte Nutzung anderer Verkehrsmittel, durch einen höheren Pkw-Besetzungsgrad (bspw. durch Fahrgemeinschaften) sowie durch ein Güterverkehrsmanagement. In der Realität wird sich eine Kombination aus mehreren Faktoren ergeben.

 

Das Szenario der Mobilitätswende Herne kann zukünftigen Untersuchungen zum Verkehrsaufkommen bzw. zu dessen nachhaltiger Abwicklung zu Grunde gelegt werden, wenn damit aufgrund der darin enthaltenen Annahmen ein umfassender Ausbau von Verkehrsanlagen für den Kfz-Verkehr vermieden werden kann.

 

Bis zum vollständigen Eintreten des Szenarios kann es an einzelnen Straßenabschnitten und Knotenpunkten insbesondere in den Spitzenstunden zu vorübergehenden Qualitätseinbußen kommen. Diese sind im Sinne der Gesamtabwägung mit der Zielsetzung des Klimaschutzes hinzunehmen.

 

Voraussetzung für das Erreichen des Szenarios der Mobilitätswende Herne ist, dass die oben beschriebenen Maßnahmen zukünftig konsequent berücksichtigt und angewendet werden. Es werden folgende Leitziele zugrunde gelegt:

 

  • Oberstes Ziel aller Maßnahmen bleibt eine weiterhin hohe Verkehrssicherheit, vor allem für die besonders schutzbedürftigen nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmer*innen.
  • Die Belange des Fuß-, Rad- und öffentlichen Verkehrs sind höher als bisher zu gewichten.
  • Der Kfz-Verkehr steht zukünftig nicht mehr allein im Mittelpunkt der Verkehrsplanung.
  • Vorübergehende Qualitätseinbußen für den Kfz-Verkehr sind hinzunehmen, soweit sie zur Einhaltung der Klimaschutzziele beitragen.

 

Diese Leitziele sind bei allen zukünftigen Planungsverfahren und planerischen Entscheidungen, die Auswirkung auf das Verkehrsgeschehen haben, anzuwenden.

 

 

  1. Modellraum Herne-Mitte

 

Die beschriebenen Schritte zur Mobilitätswende Herne sind weitreichend. Sie lassen sich nicht von heute auf morgen umsetzen, denn viele der genannten Maßnahmen sind mit baulichen Umgestaltungen mit einem entsprechenden zeitlichen und finanziellen Aufwand verbunden. Auch Verhaltensänderungen brauchen Zeit. Deshalb sollen die oben beschriebenen Schritte in einem räumlich begrenzten Modellraum in Herne-Mitte kurzfristig initiiert und angewandt werden.

 

Mit dem Zuschlag zum Bau der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung des Landes NRW (HSPV NRW) ist der Startschuss für eines der bedeutendsten Quartiersentwicklungsprojekte in Herne für die nächsten Jahre gefallen. Der Campus der HSPV NRW bildet den Anker für die Realisierung eines innerstädtischen Bildungs-, Forschungs- und Entwicklungsstandortes inklusive ergänzender weiterer Nutzungen (Arbeiten und Wohnen). Das neu entstehende Quartier, das zukünftig unter dem Namen „FunkenbergQuartier“ geführt wird, birgt zudem das Potenzial eines nachhaltigen Schlüsselimpulses für die gesamte Herner Innenstadt und darüber hinaus.

 

Die planungsrechtlichen Voraussetzungen für das FunkenbergQuartier werden zunächst mit dem Bebauungsplan Nr. 238 „Baumstraße / Schüchtermannstraße“r das westliche Plan-gebiet geschaffen. Für den östlichen Teil als zweiten Entwicklungsabschnitt soll im

 

Anschluss daran der separate Bebauungsplan Nr. 270 „FunkenbergQuartier Ost“ aufgestellt werden.

 

Die Ansiedlung des „FunkenbergQuartiers“ in Herne-Mitte in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof und der Fußngerzone ist ein starker Standortvorteil. Allerdings bringt diese zentrale Lage besonders im Verkehrsbereich auch vielfältige Herausforderungen mit sich. Parallel zum FunkenbergQuartier befinden sich bereits weitere Projekte in der fortgeschrittenen Planung oder im Bau. Hierzu zählen beispielsweise die Zahnklinik am Westring, die Seniorenwohnanlage an der Baumstraße sowie im weiteren Umfeld das sogenannte Kaiserquartier und der Dienstleistungspark Schloss Strünkede. Der damit verbundene zusätzliche Verkehr wird zu einem deutlichen Anstieg der Verkehrsnachfrage führen, derr alle Verkehrsteilnehmer*innen spürbar sein wird.

 

Bereits heute ist die Verkehrssituation in Herne-Mitte komplexer als an vielen anderen Stellen im Stadtgebiet. Mit dem Westring als zentrale Nord-Süd-Achse, mehreren BAB-Anschlussstellen, dem ZOB und Bahnhof, der Nähe zur Fußngerzone und den Einzelhandelsbetrieben an der Roonstraße und Bahnhofstraße, mehreren Schulstandorten und der Polizeihauptwache Cranger Straße konzentrieren sich in diesem Bereich so viele unterschiedliche Mobilitätsbedürfnisse und ansprüche wie nirgendwo sonst im Stadtgebiet.

 

Einerseits existiert aufgrund des über alle Verkehrsmittel hinweg vorhandenen hohen Verkehrsaufkommens bereits heute Bedarf für einen leistungsgerechten Ausbau der Verkehrsanlagen, insbesondere für den Umweltverbund. Andererseits bestehen mit der Nähe zur BAB 42 und 43 sowie dem vorhandenen Angebot im ÖPNV und SPNV (zentraler Busverknüpfungspunkt, Stadtbahnlinie U35 nach Bochum, Anschluss an den Regionalverkehr) ideale Voraussetzungen für die Umsetzung der Mobilitätswende. Die hohe städtebauliche Dichte in Herne-Mitte und die kurzen Wege zwischen den einzelnen angrenzenden Nutzungen bieten ein großes Potential, dass die mit der Mobilitätswende verbundenen Veränderungen eine hohe Wirkung entfalten.

 

Zu den Maßnahmen zur Reduzierung des Kfz-Verkehrs sowie zur Stärkung des Umweltverbundes im Modellraum Herne-Mitte gehören bspw.

 

  • dezentrale Parkflächen oder -bauten (bspw. rückbaubare Parkpaletten) im Bereich der BAB-Anschlussstellen oder entlang der Roonstraße
  • Quartiers- oder Shuttlebusse und Sharingsysteme (bspw. metropolradruhr-Stationen)
  • flächendeckendes Parkraummanagement
  • qualitativ hochwertige und umwegfreie Fuß- und Radwegeverbindungen
  • ein großes Angebot an Radabstellanlagen
  • Standortbezogene Mobilitätskonzepte, bspw. Stärkung von Fahrgemeinschaften, Staffelung der Anfangszeiten der HSPV NRW bzw. der Anfangszeiten von Beschäftigten, Einführung von Studenten-/Jobtickets (mit/ohne Deutschlandticket)

 

 


  1. Fazit und Ausblick

 

Der Mobilitätswende kommt eine Schlüsselrolle bei der Erreichung der globalen Klimaschutzziele zu. Das hier beschriebene Szenario und die dafür notwendigen Schritte sind ehrgeizig aber alternativlos, um den lokalen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehrssektor zu leisten. Ihre Umsetzung erfordert ein entschlossenes und gemeinsames Handeln von Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit.

 

Der Modellraum Herne-Mitte steht exemplarisch für die Herausforderungen im gesamten Herner Stadtgebiet. Die Mobilitätwende lässt sich nicht räumlich abgrenzen. So können die Klimaschutzziele und alle weiteren mit einer Mobilitätswende anvisierten lokalen Zielsetzungen nur mit einer gesamtstädtischen Veränderung erreicht werden. Perspektivisch sollen die im Modellraum erprobten Leitziele und Maßnahmen auf die gesamte Stadt ausgeweitet werden.

 

Abschließend kann nicht genug betont werden, wie wichtig es ist, bei der Gestaltung der städtischen Mobilität sofort und entschieden zu handeln. Der Erfolg zur Erreichung der globalen Klimaschutzziele hängt von den Maßnahmen ab, die heute ergriffen werden. Mit jedem Jahr, das verstreicht, wird das Zeitfenster, in dem der Kohlenstoff-Fabdruck erheblich beeinflusst werden kann, kleiner.

 

Städte müssen einen vielschichtigen Ansatz verfolgen, um diese Herausforderung zu bewältigen. Indem wir nachhaltigen Mobilitätsoptionen den Vorrang geben und in eine zukunftsweisende Infrastruktur investieren, haben wir die Chance mit gutem Beispiel voranzugehen und eine nachhaltigere Zukunft für unsere Stadt und unseren Planeten zu schaffen. Die Zeit zum Handeln ist jetzt. Ein Aufschieben dieser wesentlichen Veränderungen vergrößert nur die Herausforderungen, denen wir bei der Erreichung der Klimaschutzziele gegenüberstehen.

 

Der Oberbürgermeister

in Vertretung

 

 

Friedrichs

Stadtrat

                        


Anlagen:
 

Keine