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Vorstellbar und unvorstellbar zugleich...

Der Vorhof der Vernichtung: Ausschwitz-Birkenau. Wo einst Barackenwaren, ragen heute nur noch die Schornsteine in die Luft. (Foto: Piorr)


Kann man die Leere beschreiben, die Leere des Ortes Birkenau. Hier, wo hunderttausende von Menschen in den Tod gingen. „Am Ende kommen Touristen“ heißt ein beeindruckender Film von Robert Thalheim über die Vergangenheit und Gegenwart des polnischen Ortes Oświęcim, der unter seinem deutschen Namen „Auschwitz“ zum Inbegriff des größten Verbrechens der Menscheinheitsgeschichte geworden ist.
Lisanne Koch (16) und Darius Ribbe (17) besuchten mit einer Gruppe des Herner Kinder- und Jugendparlaments das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz. Der Historiker Ralf Piorr sprach mit Ihnen über Ihre Eindrücke.

Ralf Piorr: Es sind über 1.000 Kilometer von Herne nach Auschwitz und über sechzig Jahre sind seit der Befreiung des KZ vergangen. Was habt Ihr an diesem Ort vorgefunden?

Lisette:Wir wussten schon vorher einiges über Auschwitz, aber wenn man das ehemalige Lagergelände betritt, ist das etwas ganz anderes. Wir haben die Rampe gesehen, wo die Selektionen stattfanden, sind auf Wegen gegangen, die zum Lager oder zu den Gaskammern führten. Wir waren nur Touristen, für viele andere war es der Weg in den Tod.

Darius: Vor Ort werden die Verbrechen vorstellbar und unvorstellbar zugleich. Das hört sich widersprüchlich an, ist es aber nicht. Man begreift die Größe und die exakte Planung des Lagers, die Effektivität, gleichzeitig bleiben die Ausmaße der Vernichtung trotzdem unvorstellbar.

'Wie sind nicht die geschichtslose Generation.' Lisanne Koche und Darius Ribbe im Gespräch, September 2007 (Foto: WAZ/Seidel)
Wir sind nicht die geschichtslose Generation.' Lisanne Koche und Darius Ribbe im Gespräch, September 2007 (Foto: WAZ/Seidel)

Ralf Piorr: In der Ausstellung in den Baracken des Lagers trifft man auf die Spuren der Opfer…

Darius:Ja, das war schockierend. Die Berge von abgeschnittenen Menschenhaaren, die gesammelt wurden, um sie der Industrie zur Verfügung zu stellen. Die Massen an Kinderschuhen oder Brillen. Gleichzeitig begreift man selbst, wie unser Denken funktioniert. Man braucht diese Gegenstände, um eine Vorstellung davon zu bekommen, dass in Auschwitz über eine Million Menschen ermordet wurden.

Lisette: Ich stand vor mehreren Wänden mit Fotos, die in den Koffern der im KZ-Ermordeten gefunden wurden: Postkarten, Hochzeits- und Kinderfotos, Schnappschüsse bei der Arbeit oder in der Freizeit. Genauso fotografieren wir uns heute auch. Aber diese Menschen wurden alle gewaltsam ausgelöscht. Man kennt nicht einmal mehr ihre Namen. Das hat mich sehr berührt.

Ralf Piorr: Wie habt Ihr Euch an diesem Ort gefühlt?

Darius: Irgendwie war es unwirklich. Es war ein schöner Tag, wir spazierten über das riesige Gelände. Wir sind nicht mit Knüppeln durch das Lager getrieben wurden, ständig Angst und Verzweifelung im Nacken. Aber doch war es genau dieser Ort. Einige Besucher posierten vor dem Eingangstor mit der Aufschrift „Arbeit macht frei“ und ließen sich fotografieren. Das ist doch völlig absurd, oder?

Lisette: Während der fünfstündigen Führung durch das Lager konnte ich manchmal nicht mehr stehen. Dann dachte ich plötzlich: ‚Hier auf dem Appellplatz mussten die ausgehungerten Gefangenen bei Regen und Kälte stundenlang stehen. Wie hättest Du das ausgehalten, wenn Du jetzt schon jammerst.’ An so einem Ort werden die eigenen Bedürfnisse doch sehr relativ.

Ralf Piorr: Wart Ihr schockiert?

Lisette:Ich war anfangs eher darüber geschockt, dass ich nur so wenig geschockt war. Erst im Nachhinein habe ich begriffen, dass es mit dieser ungeheuren Masse an Ermordeten zusammenhängt und mit diesem industriellen Prozess. Eine individuelle Geschichte, wie zum Beispiel die von Anne Frank, begreift man doch eher. Nachdem ich das verstanden habe, denke ich eigentlich noch mehr darüber nach.

Ralf Piorr: Habt Ihr Euch als „Deutsche“ schuldig gefühlt?

Lisette: Nein. Für die Taten trägt meine Generation keine Verantwortung mehr. Eher dafür, dass es nicht vergessen wird. Und dafür engagieren wir uns ja auch. Wir sind nicht die geschichtslose Generation, der neben Handys und PCs alles andere egal ist.

Darius: Es ist schon oft zitiert worden, aber trotzdem richtig: Es darf sich nicht wiederholen. Trotzdem gab es auch nach Auschwitz leider noch Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Daran sieht man, wie aktuell das Thema ist. Man kann die Geschichte nicht ad acta legen.
2016-12-13